Anlässlich der diesjährigen Filmfestspiele, der Berlinale, wurde eine restaurierte Fassung von Rainer Werner Fassbinders Monumentalfernsehserie aus den Jahren 1979/1980 „Berlin Alexanderplatz“ gezeigt. Es handelt sich um die Verfilmung von Alfred Döblins gleichnamigem Roman, einem Meilenstein der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Er erzählt die Geschichte eines Knastbruders und Zuhälters, der nicht glücklich werden kann in der Welt dieser zwanziger Jahre, und dessen wildes Leben nur eine Ouvertüre ist, die Ouvertüre zum Tod.
Neben seinem starken Plot hat der Roman auch eine deftige Portion Lokalkolorit des Kleine-Leute-Milieus im Berlin jener Zeit zu bieten. Lokalkolorit wird in Berlin stets gerne gesehen. Es vermittelt Authentizität. Und das Bedürfnis nach Authentizität ist gerade in einer solchen Stadt, die von der Geschichte gleich mehrfach in Frage gestellt wurde, unverkennbar. Berlin sucht für sich bis heute eine Bedeutung, jenseits von Preußen und Kaiserreich, jenseits des Dritten Reiches und jenseits der DDR.
Fassbinder, der Chronist
Was aber interessierte Fassbinder, den genialen, früh verstorbenen Regisseur, der seine große Zeit in den siebziger Jahren hatte, an diesem Roman? Es war wohl gerade die Fiebrigkeit, die Entgrenzung, Tragik und Verhängnis, eine deutsche Untergangsmelancholie, die im geteilten Deutschland immer wieder die Öffentlichkeit faszinierte. Weil die Menschen meinten, im kollektiven Ausbruch dieser Emotionen den frühen Ausdruck der vom Nationalsozialismus herbeigeführten Geschichtskatastrophe von 1945 erkennen zu können. Zumal in den siebziger Jahren, in denen die intellektuelle Debatte vom Vulgärmarxismus beherrscht wurde, gab es immer wieder das Bedürfnis nach einem Blick ins Abgründige, in eine historisch und politisch verdrehte Romantik. In jenem Jahrzehnt, in dem der linke Extremismus der Intellektuelle